Wer nutzt die «Gunst der Stunde»?

    Fazit und Interpretation des Jobradars im 2. Quartal 2019

    Wir haben es an dieser Stelle in umfassenden Dossiers publiziert: Die Arbeitgebenden in der Schweiz kämpfen mit einem grassierenden Fachkräftemangel. Und dies, obwohl eigentlich genug Stellen zu besetzen wären. Der Grund: Die Fähigkeiten vieler Protagonisten oder Postulenten für einen Posten als Fachkraft genügen nicht den heutigen Anforderungen. Vernetztes Denken und Fachkenntnis auf neustem Stand sind heute ein absolutes Muss.

    (Bild: PEXELS) Auch Technische Berufe sind hoch im Trend: Der aktuelle Jobradar zeigt auf, dass viele Fachkräfte gesucht werden.

    Der aktuelle Jobradar von X28, der per Suchmaschine die Firmenwebsites und Jobportale für die gesamte Schweiz erfasst, zeigt, wo und wie viele Jobs aktuell verfügbar, beziehungsweise zu besetzen wären. In vielen Branchen wird Personal intensiv gesucht. Besonders in der Medizinal- und Gesundheitsbranche, im Informatikbereich und im Ingenieurswesen. Pflegepersonal, Bauarbeiter und Informatiker (Wirtschaftsinformatiker im Speziellen) sind gesucht und auch Kräfte für den Detailhandel, die öffentliche Verwaltung oder in der Architektur/Planung. In der öffentlichen Verwaltung will man zunehmend aufstocken mit Leuten, die sich auch im Bereich des E-Government auskennen oder weiterbilden lassen.

    Jobsituation in der Region Basel
    Unsere Recherchen im ersten Quartal 2019 auf den gängigen und beliebtesten Plattformen für Jobsuchende und Anbieter zeigten folgendes Bild für die Region Basel: Im Berufsfeld Administration/HR/Consulting waren über 900 Stellen zu besetzen. In der Telekommunikation und Informatik suchte man nach fast 800 Leuten. In der Pflege/Medizin und Therapie/Psychologie waren über 800 Stellen frei. Auch im Bau/Architekturwesen und Engineering werden seit Monaten fast 800 Leute gesucht. Im Verkauf- und Kundendienst, Innendienst und Beratung werden über 650 Leute benötigt. Technische Berufe sind ebenfalls im Kommen wie natürlich auch der Bereich der Produktion im Gewerbe und in der Automobilbranche.

    Aktuell ist die Lage gemäss neustem Jobradar folgendermassen: In Basel-Stadt sind knapp unter 7000 Stellen vakant und in Baselland etwas über 4130. Hierbei werden nur Inland-Stellen gezählt. Stellen mit einem Arbeitsort im Ausland fallen in der Aufzählung weg. Basel-Stadt liegt bezüglich Job-Vakanzen im nationalen Vergleich im oberen, Baselland im unteren Mittelfeld. Besonders interessant ist hierbei der sektorale Arbeitsmarkt und seine Bedürfnisse. Hier hat sich gegenüber dem ersten Quartal nur unwesentlich etwas geändert: Das Baugewerbe, der Medizinalbereich (Pflegefachberufe und Medizinaltechnik eingeschlossen), der Bereich Informatik und die Hotellerie/Gastronomie sind nach wie vor jene Branchen mit der höchsten Nachfrage. Stark zugenommen haben die Stelleninserate in den letzten Monaten seit Jahresbeginn im Gesundheitswesen (plus 2200) und in der Gastronomie/Hotellerie (plus 2000). Bei den Fachkräften sind Installateure, Techniker/innen (besonders im Bereich Energie und Umwelt), Raumplaner/innen, Führungsleute in der betrieblichen Verwaltung oder Biotechniker/innen äusserst begehrt.

    Viele Talente werden die Gunst der Stunde nutzen
    Da nun aufgrund des Angebots und der Besetzungsschwierigkeiten in einigen Branchen für gewisse Aufgaben auch Leute ohne fundierte und einschlägige Fachkenntnisse (aber mit dem Willen zur Weiterbildung) rekrutiert werden, bietet sich – anders als beim Fachkräftemangel-Phänomen und der Suche nach absoluten Top- Fachkräften – Platz für Kompromisse. So genannte «Niedrigqualifizierte» erhalten ihre Chance. Das Gute daran: Viele «Perlen» und Talente, die aufgrund ihres beruflichen oder schulischen Curriculum Vitae früher keine Chance erhielten, können sich nun «on the job» beweisen. Viele dieser «schlummernden Talente» werden ihre Chance nutzen. Der «Haken» hat also auch einen guten Nebeneffekt. Auch die Höheren Fachschulen (HF) profitieren davon. Mit einem HF-Diplom kann man sich heuer in der Arbeitswelt gut positionieren, denn die Zulassungshürden zum Studium sind geringer. Nichts desto Trotz sind HF Ausbildungen sehr anforderungsreich und haben in der Schweiz aufgrund des Bildungssystems eine Schlüsselfunktion. Der Anteil der Erwerbstätigen, die einen Abschluss an einer Hochschule oder einer höheren Berufsbildung gemacht haben, ist in den letzten 15 Jahren von 22 auf 35 Prozent gestiegen. Damit liegt die Schweiz im Europäischen Vergleich im vorderen Bereich. Laut Prognosen des Bundesamtes für Statistik dürften ab 2025 über die Hälfte der erwerbstätigen Bevölkerung über einen Tertiär-Abschluss – Hochschule oder höhere Berufsbildung – verfügen. Bis 2045 könnte der Anteil bis auf 60 Prozent ansteigen. Speziell die HF-Ausbildungen wie beispielsweise jene in der TEKO Basel erfreuen sich immer grösserer Beliebtheit. Nahezu die Hälfte der Erstabschlüsse auf Tertiärstufe wird in der Schweiz mittlerweile im Rahmen der höheren Berufsbildung, also mit dem Abschluss «Diplom HF», einem «eidg. Fachausweis» oder einem «eidg. Diplom» erworben.

    Die im Sommer 2018 eingeführte Stellenmeldepflicht habe auch einen Einfluss auf die Entwicklung, sagen die Regionalen Arbeitsvermittlungszentren (RAV). Die Meldepflicht wurde gemäss Communiqués gut umgesetzt, wobei die Zahl der neu gemeldeten Stellen die Erwartungen übertreffe, wurde berichtet. Erfreulich sei zudem, dass auch viele zusätzliche Stellen im Bereich der nicht meldepflichtigen Stellen bei den RAV gemeldet wurden. Die Seco indessen meldet, dass in den Monaten nach der Einführung der Stellenmeldepflicht jeweils zwischen 25’000 und 35’000 offene Stellen gemeldet wurden. Davor pendelte dieser Wert um die 10’000er-Marke.

    JoW

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