Freiwilligenarbeit im Kontext der Professionalisierung

    Standpunkte und Ansichten zum Einsatz Freiwilliger

    Freiwilligenarbeit wird heute mehr denn je geschätzt und benötigt. An dieser Stelle haben wir wiederholt über dieses Thema berichtet. Der promovierte Basler Sozialökonom Matthias Schweizer beobachtet seit Jahren die NPO-Branche sowie die Entwicklung der Freiwilligenarbeit in der Schweiz.

    (Bild: PEXELS) Freiwilligenarbeit heute: Professioneller in jeder Hinsicht – sei es in der Organisation wie auch bei den Umsetzungen.

    Als Interim Manager im Sozial- und Gesundheitswesen hat Dr. Matthias Schweizer (moncrier.ch) Zugang zu sozial tätigen Institutionen und Verbänden, für die die Freiwilligenarbeit sich stets im Spannungsfeld zwischen Mensch, Ökonomie und Umwelt bewegt. Wie sind seine Standpunkte und Ansichten zur aktuellen Lage?

    Mit begrenztem Mitteleinsatz zur maximalen Wirkung
    Der gemeinsame Nenner für die Arbeit von Profit- und Nonprofit-Organisationen ist es, mit begrenztem Mitteleinsatz nach einer maximalen Wirkung zu streben. Die Wirksamkeit der Leistungen der Nonprofit-Organisationen (NPO) zielt wie bei Unternehmen mit Gewinnstreben darauf ab, die vorhandenen Mittel effizient, effektiv und zweckmässig einzusetzen.

    Schon vor zehn Jahren wurde für NPO eine Entwicklung hin zu mehr Professionalisierung festgestellt. Deutlich wird dies in umfangreichen Forschungsaktivitäten, grösseren Handlungsspielräumen, gestiegener Anerkennung in der Öffentlichkeit, der Politik und der Wirtschaft sowie einer zunehmend konstruktiven Rolle in politischen Prozessen. Das ZEWO-Gütesiegel und verschiedene Codizes, wie etwa der Swiss NPO-Code oder der Swiss Foundation Code, die Corporate-Governance-Richtlinien für NPO in der Schweiz festschreiben, haben dazu beigetragen.

    Paradigmenwechsel in der Branche
    Die Kultur in der Branche begann sich Ende des 20. Jahrhunderts zu wandeln. Man begann, die Professionalisierung des NPO-Managements zu fördern, wo das Führen von NPO vorher noch am ehesten mit Begriffen wie Miliz- oder Freiwilligenarbeit verbunden wurde. Professionalisierung bekommt eine spezifische Bedeutung, wenn man der freiwillig geleisteten Arbeit eine besondere Qualität jenseits der Professionalität unterstellt, wie bspw. Authentizität, Emotionalität oder tiefes persönliches Engagement für eine Sache.

    Moralische Massstäbe und Professionalisierung
    Organisationen des Dritten Sektors, die in unterschiedlichem Ausmass professionalisiert und deren Zielsetzungen unterschiedlich scharf konturiert sind, können versucht sein freiwilliges Engagement für eigene Zwecke zu instrumentalisieren. Dass die moderne Forschung Organisationen nicht nur die Fähigkeit zum Altruismus zugeschrieben hat, sondern auch die Tendenz zur Heuchelei, kann deshalb auch im Falle von NPO nachvollzogen werden. Will man an Organisationen jedoch nicht höhere moralische Massstäbe anlegen als an Individuen, lässt sich formulieren, dass es nicht problematisch ist, wenn freiwilliges Engagement mit eigenen Vorteilen einhergeht.

    Auf Dauer die Qualität der Freiwilligenarbeit sicherstellen
    Die Dienstleistungen selbst zu professionalisieren, darum geht es nicht mehr. Es geht darum, einen Rahmen zu schaffen, der auf Dauer die besondere Qualität der Freiwilligenarbeit erhalten kann. Um das freiwillige Engagement in der Organisation aufrecht zu erhalten, ist ein professioneller Umgang mit den Freiwilligen erforderlich. Die Professionalisierung der Führung kennzeichnet die grundsätzliche Akzeptanz von Führung als eigenständige und notwendige Aufgabe und die bewusste Gestaltung der Beziehungen zu Freiwilligen.

    Die vorherrschende Vorstellung in vielen NPO ist, dass Entscheidungen den gewählten Ehrenamtlichen vorbehalten sein sollen (Primat des Ehrenamts). Jedoch beinhaltet die tatsächliche Tätigkeit des Hauptamts mittlerweile aber neben Ausführung auch Planung und Entscheidung, denn um effektiv arbeiten zu können, brauchen die Hauptamtlichen Entscheidungsbefugnisse. Ihre informelle Macht steigt gegenüber den Ehrenamtlichen allein auf Grund der Informationsvorsprünge, die sich aus ihren längeren Anwesenheitszeiten erklären lassen, und durch Qualifikationsvorsprünge verstärkt werden. Da diese Spannungen struktureller Natur sind, sind sie letztlich unvermeidlich. Ein gemeinsames Ziel sowie die gegenseitige Anerkennung von Möglichkeiten und Grenzen, können ein Schlüssel sein.

    Vollständiger Artikel mit Literaturhinweisen abrufbar unter: adobe.ly/2EVu3nG

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